Ich hör‘ auf mein Bauchgefühl …

… von einem Zebra würde man niemals verlangen, wie eine Giraffe auszusehen …

Magersucht, Bulimie, Binge Eating – die Liste der anerkannten Essstörungen ist lang. Betroffen sind in den meisten Fällen Mädchen und Frauen. Aber auch die Zahl männlicher Betroffener steigt stetig.
Auf dem neuen Internetportal „Bauchgefühl“ erwarten uns neben zahlreichen Rubriken à la „body and soul“, „Schneewittchen-Schock“ und „Hungrig auf’s Leben“ viel Info, Podcasts und Vodcasts von Betroffenen, Hinweise auf Beratungsangebote und der Video-Clip vom „Bauchgefühl-Song“.
„Bauchgefühl“ ist eine Initiative der Betriebskrankenkassen. Zentraler Bestandteil der Initiative ist neben Informationen für Betroffene, Schulen und Eltern das Unterrichtsprogramm „Bauchgefühl“.

Germany’s Next Top-Tussi

Wann werden unsere Töchter endlich vor dieser Frau geschützt???
Wie viele Fälle von Magersucht und Bulimie darf sie noch produzieren und wird dafür auch noch bezahlt?

Heidi Klum – der Schrecken aller Präventionsbeauftragten

Essstörungen – die heimliche Sucht

 

Über eine Million Menschen leiden in Deutschland an einer Form von Essstörungen. Für 93 % aller Frauen gehören die kritische Auseinandersetzung mit ihrer Figur und damit in Verbindung stehende mehr oder weniger erfolgreiche Diäten zu den Erfahrungen ihres Alltags. Das gesellschaftlich geprägte Schönheitsideal weibliche Idealmaße betreffend ist oftmals grausam und nicht einfach aus der Welt zu schaffen. Und dies betrifft schon lange nicht mehr ausschließlich Frauen. Schlank zu sein scheint gleich bedeutend damit, auf der beruflichen und privaten Erfolgswelle zu schwimmen. Und doch wäre es eine falsche Sichtweise, allein das gesellschaftliche Schönheitsideal verantwortlich zu machen für das gehäufte Auftreten von Essstörungen in unserem gesellschaftlichen Miteinander.

Die Entwicklung einer Essstörung hat in der Regel nicht nur eine einzige Ursache, sondern begründet sich in einem komplexen System aus persönlichen, familiären, sozialen und biologischen Faktoren. Jede Essstörung hat ihre eigene Geschichte, egal ob es sich um Magersucht, Bulimie oder Esssucht handelt.  

Zweifel am eigenen Selbst, Gefühle von Minderwertigkeit und Versagen, Spannungen innerhalb der Familie, oft verbunden mit erheblichen Behinderungen in Prozessen der Abgrenzung und Ablösung, schulischer Leistungsdruck, Zukunftsängste: die Liste der möglichen Hintergründe für das Entstehen einer Essstörung ist lang und nie vollständig.  

Wann sprechen wir überhaupt von einer Essstörung? Woran können wir erkennen, ob jemand gefährdet ist, eine solche Störung zu entwickeln?

 Die Grenzen zwischen Normalität, auffälligem Essverhalten und dem Vollbild einer Essstörung sind fließend. Der Weg in eine Essstörung hinein führt in der Regel durch die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper hindurch, oftmals gefolgt von einer Reihe von Diäten. Jede Essstörung äußert sich in einem Geflecht von Symptomen, begründet in einem gestörten Verhältnis zum Essen und zum eigenen Körper. Dabei muss immer wieder betont werden, dass Symptome und Ursachen nicht verwechselt werden dürfen. Solange wir nur die Symptome bekämpfen und die Ursachen ignorieren, werden wir einer Erkrankten nicht helfen können.  

Essstörungen sind insbesondere unter Mädchen und Frauen weit verbreitet. Jede 3. Schülerin zwischen 12 und 20 Jahren leidet an der Frühform einer Essstörung. 

Bereits 30% aller Mädchen und Jungen unter 10 Jahren verfügen über Diäterfahrung; 56% der 14- bis 15-Jährigen sind unzufrieden mit dem eigenen Aussehen und Gewicht. Unter einer bulimischen Essstörung leiden schätzungsweise 3% aller Frauen, ca. 5% aller Mädchen und Frauen sind sogenannte „Over Eaters“. Diese Zahlen berücksichtigen nicht die Dunkelziffern und sind nur das Ergebnis einzelner, auf einen relativ kleinen Personenkreis bezogenen Studien. Die tatsächlichen Zahlen dürften wesentlich höher liegen.

Der Einstieg verläuft schleichend: plötzlich beginnt der Tag mit dem Blick auf die Waage. Sie wird zum wichtigsten Kommunikationspartner. Kalorienzählen und Diäten bestimmen den Alltag. Eine Mahlzeit ist nicht mehr die genussvolle Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses und das natürliche Gefühl für Sättigung geht verloren. Sowohl Tagesform als auch Stimmung und Laune sind gewichtsabhängig und das Gewicht ist fortan verantwortlich für den persönlichen Erfolg.  

Essstörungen sind körperliche Erkrankungen. Sie betreffen die Nahrungsaufnahme oder deren Verweigerung. Die auslösenden Kriterien lassen sich nicht in einem einfachen Schema von Ursache und Wirkung zusammenfassen. Sowohl seelische Belastungen als auch psychosomatische oft entwicklungsbedingte Störungen und Traumata können sich dahinter verbergen. Betroffene zeichnen sich durch die zwanghafte Auseinandersetzung mit der Aufnahme oder Verweigerung von Nahrungsmitteln aus.  

Allen gemeinsam ist, dass es sich um unterschiedliche Formen abhängigen Verhaltens handelt, welches sich jedoch stets in einer Tabuzone schamhaften Verschweigens zu verstecken sucht. Niemand darf etwas erfahren. 

Eine Essstörung entwickelt sich nicht plötzlich und aus heiterem Himmel, (aus dem sowieso nicht), sondern schleichend. Stellt sie sich dann irgendwann als Realität gewordener Albtraum heraus, so ist sie kein Problem eines Individuums, sondern eines ganzen Systems. Die bis dahin scheinbar heile Welt der „Rama-Familie“ wird durch das Auftreten der Essstörung einer Tochter oder eines Sohnes in eine tiefe Krise gestürzt. Die Konsequenzen reichen von Ratlosigkeit über Wut bis hin zu schierer Verzweiflung.  

Essgestörte Menschen ziehen sich in der Regel aus jeglichem sozialen Leben in eine tiefe zwar selbstgewählte jedoch innerlich zutiefst verfluchte Isolation zurück und brechen den Kontakt zu Familie und Freundeskreis soweit wie möglich ab. Für die Familie bedeutet dies in der Regel einen tiefen Bruch durch die Grundstruktur. Gemeinsame Aktivitäten, von gemeinsamen Mahlzeiten ganz zu schweigen, werden unmöglich. Die essgestörte Tochter, der essgestörte Sohn zieht sich in eine Art Inselwelt zurück, die von Außenstehenden kaum erreicht werden kann.  

Die Geschichte des sexuellen Traumas in der frühkindlichen Alkoholikerfamilie trifft nicht annähernd die Realität. Nur zu oft entwickeln gerade die Heranwachsenden eine Essstörung, deren Familie nach außen gut bürgerlich behütend wirkt und nach allen Regeln einer deutschen Durchschnittsfamilie lebt.  

Wir unterscheiden verschiedene Formen von Essstörungen: die Magersucht, die Bulimie (auch bekannt als Ess-Brechsucht) und die anfallsweise Esssucht, die sowohl unter den Bezeichnungen „Overeating-Störung“ als auch „Binge Eating Disorder“ bekannt ist.

Gemeinsam ist allen Formen einer Essstörung ein Hunger der Seele, der nicht gestillt werden kann. Hunger nach Leben, nach Liebe, Hunger nach Freiheit und Selbstbestimmung, Hunger danach, so angenommen zu werden, wie man ist: mit allen Fehlern und Schwächen. Ein sehr menschlicher Hunger also.
Wer von einer Essstörung geheilt werden möchte, muss bereit sein, über den Gedanken an Essen und Nicht-Essen hinaus zu gehen und den wahren Hunger zu suchen, der sich hinter Fressattacken oder der krankhaften Sucht, immer weiter abzumagern, verbirgt.